von Ralf "Searge" Pappers
Meine erste Begegnung mit der SF fand in den 60er Jahren statt. Eigentlich war ich knallharter Western-Fan und liebte die damaligen Western über alles. Wenn ich heute so zurückblicke, dann ist eigentlich ganz klar, daß ich nur den Sattel und die Knarre im Holster wechselte. Aus dem treuen Vierbeiner wurde einfach der große Pilotensessel eines Raumschiffes und aus dem Peacemaker eine Strahlenwaffe. Denn ich muß zugeben, ich bin ein absoluter Space Opera Freund. Aber daneben existierte auch SF, die sehr nahe an der Realität lag, und das lag daran, daß der Autor es verstand, spannende Geschichten zu erzählen. Und er machte dies im Grunde wie Weiland Karl May. Er schrieb Reiseabenteuer in der Ich-Form. Sein Name war Mark Brandis. Lange Jahre wußte fast niemand wer dieser Mark Brandis eigentlich war. Nur ein kurzer Klappentext auf einem seiner Jugendbücher aus den 60er Jahren gab spärlich Auskunft.
"Nikolai von Michalewsky wurde 1931 in Dahleitz, im Kreis Teltow, geboren. Sein bisheriges Leben verlief abenteuerlich genug. Nach der Währungsreform verließ er notgedrungen die Schule, um Geld zu verdienen. Er wurde Hafenarbeiter, Reporter, Industriepolizist, sah sich in Afrika um und arbeitete auf einer Kaffeeplantage. Dabei verlor er nie sein Ziel, Schriftsteller zu werden, aus den Augen. Tatsächlich machten ihm seine mitreißend geschriebenen Jugendbücher, seine Romane und Hörfolgen, fast über nacht bekannt, und er konnte also bei diesem Beruf bleiben. Er ist verheiratet und hat einen Sohn. Seine Hobbys sind Segeln und Tauchen, außerdem liebt er es, schnelle Wagen zu fahren."
(In der Mark Brandis Reihe, erfuhr man erst 1982 etwas über den Autoren. In damals erschienen einzigen Taschenbuch "Testbuch", wurde ein Brief des Herder-Verlages an einen Leser veröffentlicht. Ein Name wurde hier aber nicht genannt, und so tappte der geneigte Leser auch weiterhin im Dunkeln, denn an so was, wie das Internet, daran dachte damals noch niemand. Deswegen hier zwei Adressen für unsere Surfer: www.markbrandis.de und www.vonmichalewsky.de)
Aber wer hätte damals gedacht, daß dieser Mann, auch der heldenhafte Mark Brandis wäre, der seine Raumschiffe wie eine Segeljacht steuerte und befehligte. Heute weiß ich, daß genau dies zutrifft, denn sein Fabel war immer schon die Seglerei. Und das war auch ein Grund, wie er mir erzählte, weswegen es auf "seinen" Schiffen auch immer einen Koch, aber niemals einen Arzt gab. "Man muß was zu beißen haben, wenn man unterwegs ist. Kleinere Wehwehchen steckt man weg oder werden vom Koch kuriert." Ja so war er, kurz, knapp und manchmal auch ein bißchen bissig.
Er baute ein eigenes Universum auf, in dem es auf der Welt nur noch zwei große Machtblöcke gab. Die EAAU (Europäisch-Amerkanisch-Afrikanische Union) und die VOR (Vereinigte Orientalische Republik). Mark Brandis stammte natürlich aus der EAAU und die Hauptstadt, in der er lebte, war eine in das Meer gebaute künstliche Stadt, Metropolis.
Von 1970 bis 1987 erschienen regelmäßig seine Bücher im Herder Verlag. Mit wunderschönen Schwarz-Weiß-Zeichnungen von Robert André. Angefangen hatte er im Jahre 2069 als Pilot im Bürgerkrieg und endete als Leiter der UGzRR (Unabhängigen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger) im Jahre 2092. Dazwischen lagen glanzvolle Perlen an SF-Literatur. Von der Bürgerkriegs-Reihe, mit ihrem Anfang in "Bordbuch Delta VII", über die "Testakte Kolibri", in der er als Leiter einer Testreihe von neuen Raumschiffmodellen verzweifelt gegen Sabotage kämpfte. Bis hin zu "Die lautlose Bombe", in der er, zusammen mit seinem bärenstarken, sibirischen Navigator Lieutenant Stroganow, in einem SF-Krimi, einem durchgeknallten Wissenschaftler ausfindig machen muß, um den Untergang der Welt durch eine unvorstellbare Seuche zu verhindern. Wo viel Licht ist, ist natürlich auch Schatten. Und so sind seine Bücher, die in den 70er Jahren die Ökokriesen behandelten, für mich pers. die schlechtesten Abenteuer. Zum Ende der Serie, kam er wieder auf den Ursprung seiner Geschichten zurück. Denn in den letzten beiden Bänden brandet wieder Bürgerkrieg in der EAAU auf.
Dann ist es plötzlich sehr lange still um Mark Brandis. Und erst 1998 tritt er das erste mal öffentlich im SF-Rahmen auf, auf den 10.SF-Tagen NRW in Dortmund. Ich komme extra eine Tag später ein weiteres Mal dorthin, um mir ein Autogramm in eines seiner Bücher schreiben zu lassen. Er krakelt, setzt ab und entschuldigt sich, bis gestern wäre seine Hand noch gelähmt gewesen. Auch 1999 kommt er vielumjubelt zur Trinity und bekommt dort den Deutschen Phantastik Award 1999 verliehen. Er erzählt mir, in einem gemütlichen Kaffeeplausch, von seinen Plänen, Mark Brandis wieder auferstehen zu lassen, und ich bin natürlich hin und weg. Und er macht seine Worte wahr. Im Juli 2000 erscheint sein neuestes Buch "Ambivalente Zone". Mark Brandis ist "erwachsen" geworden, aber das wäre Stoff für einen anderen Beitrag. Wie er denn auf den Namen Mark Brandis gekommen sei, frage ich ihn natürlich. "Ich komme aus der Mark Brandenburg!" ist seine knappe Antwort.
Ja, und dann lese ich plötzlich "Nikolai von Michalewsky ist gestorben". Anscheinend sehr plötzlich und unerwartet, denn Michael Plogmann, vom Storisende Verlag, hat Anfang Dezember noch mit ihm telefoniert, wie er mir mitteilte.
Ich bin sprachlos und auch traurig. Ein gewisses Gefühl von Vergänglichkeit schleicht sich in meine Gedanken. Ein Hauch von Schwermut! Denn, Mark Brandis ist ein fester Bestandteil meiner glücklichen Kindheit, genauso wie Raumpatrouille und Raumschiff Enterprise. Und davon ist nun wieder ein Teil für immer verschwunden und nur in meinen Gedanken, und derer die sich seiner und seiner Geschichten erinnern, wird er weiter leben.
Hier noch einmal als Audioaufnahme (für SF-Radio gemacht):